Bodo Kirchhoff (DE)
Wo das Meer beginnt
Frankfurter Verlagsanstalt, 2004
Aus: Bodo Kirchhoff. Wo das Meer beginnt. Frankfurter Verlagsanstalt, 2004
Er begann mit einer Frage, mehr an sich selbst als an mich: ob man zu Hause sei, wo man sein Bett stehen habe, und ob es dann, falls ja, eine zweite Heimat geben nach der verlorenen ersten der Kindheit – was eigentlich mehr als eine Frage war, aber nicht für ihn, meinen alten Lehrer, den es Achtundsechzig nach Frankfurt verschlagen hatte; seine Stimme klang jetzt, als sässen auf jedem Wort noch zwei weitere, wie Parasiten, danach drängend, mit ausgesprochen zu werden, was für den Zuhörer, also mich, einen doppelten, sich fast widersprechenden Eindruck ergab; dass er die Dinge, trotz einem zu voll genommenen Mund, nur schwer über die Lippen brachte.
«Eine Frage», sagte er, «die man sich besser gar nicht erst stellt als Bewohner einer Stadt, in der es sogar riskant ist, an die berühmten vier Ecken sein Herz zu hängen, in meinem Fall der Schweizer Platz, schon als solcher falsch bezeichnet, wie die meisten Frankfurter Plätze; die Strassenbahn durchquert ihn, und einmal im Jahr kümmert sich jemand um die Rabatten zu beiden Seiten der Gleise, ansonsten dient er den Autofahrern zum verkehrswidrigen Abbiegen und einem wie mir, um das Nötigste einzukaufen. Wenn ich abends noch rasch zum Tengelmann gehe, dann in dem Hass auf einen Laden, der mich noch nie verführt hat, eine Sekunde länger als nötig in seinen Schienen zu bleiben, was auch für den Schweizer Platz gilt.»