Franzobel (AT)

Geboren 1967 in Vöcklabruck/Österreich, lebt als Schriftsteller in Wien. Nach einer technischen Ausbildung studierte er Germanistik und Geschichte. Sein umfangreiches Werk umfasst längere und kürzere Prosa, Kinderbücher und rund 25 Theaterstücke. (2017)
Werke (Auswahl)
Das Floss der Medusa.
Zsolnay & Deuticke Verlag, 2017
Hamlet oder Was ist hier die Frage?.
Passagen Verlag, 2015
Der kleine Pirat.
Picus Verlag, 2015
Wiener Wunder. Kriminalroman.
Zsolnay & Deuticke Verlag, 2014
Scala Santa oder Josefine Wurznbachers Höhepunkt.
Zsolnay & Deuticke Verlag, 2000
Das Floss der Medusa
Zsolnay & Deuticke Verlag, 2017
Am 18. Juli 1816 stiess die französische Fregatte «Medusa» auf eine Sandbank. Weil es nicht für alle 147 Seeleute und Offiziere Rettungsboote gab, wurden 90 von ihnen auf ein Floss ausgesetzt und sich selbst überlassen. Nur 15 Menschen überlebten das Grauen. Mit mitreissender Anteilnahme erzählt Franzobel aus heutiger Perspektive von einer der grössten Katastrophen der Seefahrtgeschichte.
Aus: Franzobel. Das Floss der Medusa. Zsolnay & Deuticke Verlag, 2017
Alles, was er spürte, war ein Beissen im Bauch. In seinen Fingerspitzen kribbelte es, als ob winzig kleine Maulwürfe Gänge durch sein Fleisch grüben. Gänge, die jeden Augenblick in sich zusammenstürzen konnten. Sein Atem roch nach Magensäure, und er spürte ein Brennen in der Kehle, ein Feuer, das sich nach Nahrung verzehrte. Ein einziges Wort prangte gross in seinem Kopf und drängte alles andere beiseite: HUNGER. Es stiess Josephine und das Anatomische Theater weg, Professor Broussonnet, die Wachsmoulagen und rachitischen Skelette, Rochefort und die Medusa. Hunger war die Saat in ihm, die nun aufgegangen war und alles überwucherte. Hunger!
Fr, 26.05.17, 16:30
Fr, 26.05.17, 20:00
Sa, 27.05.17, 14:00
So, 28.05.17, 11:00
Aus: Libida und do. Seminar zur Haut
Zsolnay & Deuticke Verlag, 2000
Aus: Franzobel. Scala Santa oder Josefine Wurznbachers Höhepunkt. Zsolnay & Deuticke Verlag, 2000
Hej. Da ist ja Frau Kreil. Frau Kreil ist Schwedin, keine Schwedenbombe von Inzersdorfer, aber sie hat eine schöne neue Einrichtung von Ikea, dem Möbelhaus aus Schweden. Schweden liegt in Norwegen, nein, in Leningrad. In Schweden wohnen nur Blondinen und Tischler, und dann gibt es noch die Lachsfischer und Fleischbällchendreher fürs Ikea Mittagsmenü. Doch das ist Frau Kreil egal, sie wohnt nicht in Schweden, sondern in ihrer Wohnlandschaft. Frau Kreil sitzt in ihrem Sofa Strömstand trinkt Schwedentropfen im Tee aus der Teetasse Flenn. Die Teetasse Flenn steht mitsamt dem Tee und den Schwedentropfen auf dem Couchtisch Glasholm. Auch der Bilderrahmen Resling und die Duftkerzen Flutschi und Hui stehen auf dem Couchtisch Glasholm. Ausserdem steht dort noch die Gelse Gisela, aber die ist nicht von Ikea.
Im Bilderrahmen Resling ist ein Photo von Herrn Kreil. Frau Kreil wartet, dass Herr Kreil nach Hause kommt. Die Gelse Gisela wartet auch auf Herrn Kreil, weil der das süssere Blut hat, zumindest dann, wenn er ein Stück Himbeertorte vom Ikea-Mittagsmenü gegessen hat. Aber ein Blick auf die Küchenuhr Synk zeigt, dass, bis Herr Kreil nach Hause kommt, Frau Kreil noch Zeit hat, den Teppich Vedbaek auszuklopfen.