Isolde Schaad

Geboren 1944 in Schaffhausen, lebt in Zürich. Studium der Kunstgeschichte, Ethnologie und Publizistik, Kulturredakteurin der «Weltwoche», seit 1977 freie Schriftstellerin und Publizistin. 2014 mit der Goldenen Ehrenmedaille des Kantons Zürich geehrt. (2014)
Werke (Auswahl)
Am Äquator - Die Ausweitung der Gürtellinie in unerforschte Gebiete.
Limmat Verlag, 2014
Vom Einen. Literatur und Geschlecht. Elf Porträts aus der Gefahrenzone.
Limmat Verlag, 2004
Keiner wars.
Limmat Verlag, 2001
Mein Text so blau.
Limmat Verlag, 1997
Bildersturm (Beitrag Anthologie).
1991
KüsschenTschüsss.
Limmat Verlag, 1989
Am Äquator - Die Ausweitung der Gürtellinie in unerforschte Gebiete
Limmat Verlag, 2014
«Der Geist ist willig, und das Fleisch ist stark», schreibt Isolde Schaad in einer ihrer neuen Erzählungen rund um den Äquator der Gürtellinie wie der Tropenzone. Die Autorin beweist in ihren Geschichten Scharfsinn und Witz, wenn sie die Geschlechterverhältnisse pointiert aufs Korn nimmt.
Aus: Isolde Schaad. Am Äquator - Die Ausweitung der Gürtellinie in unerforschte Gebiete. Limmat Verlag, 2014
Starke Blutung, ein plötzlicher Abgang, das war durchaus zu vermuten bei einer Spätgebärenden, Überfälligen, die jahrelang gekifft hat. Man habe einen behinderten Winzling abtreiben müssen, diesen Wortlaut einer drastischen Massnahme hatte sie schon länger ins Auge gefasst, doch kam er ihr nun pietätlos vor. Überhaupt, es betrübte sie, Ron einmal mehr überlisten zu müssen, doch eine Wahrheit, die zu spät an den Tag kam, würde ihre Beziehung schwerwiegender belasten als eine Ausrede, die glaubhaft genug war, um einem informierten Skeptiker einzuleuchten.
Sa, 31.05.14, 10:00
Vom Einen. Literatur und Geschlecht. Elf Porträts aus der Gefahrenzone
Limmat Verlag, 2004
Aus: Isolde Schaad. Vom Einen. Literatur und Geschlecht. Elf Porträts aus der Gefahrenzone. Limmat Verlag, 2004
Vom Einen
Sie hat viele Männer gehabt, weil sie den Einen nicht haben konnte. Das heisst, sie hat aus diesem Grund mehr Männer gehabt, als sie eigentlich haben wollte. Und schon zischt es zwischen den Zeilen: so kann man doch nicht von dieser Dichterin reden. Doch, man sollte, man müsste endlich so von ihr reden und sie erlösen vom Trugbild, das sie als die ewig Tragische kolportiert. Als habe diese Autorin hoch zu Pferde gedichtet. Dabei sass sie zum Dichten am Küchentisch. Und wenn sie im oberen Stock sass, und im unteren Max Frisch, so konnte sie nicht schreiben, weil unten das Tasten des Hausherrn wie Hagel im Sommer fiel.
Damals in Zürich.
Fr, 06.05.05, 17:00
So, 08.05.05, 10:30
Keiner wars
Limmat Verlag, 2001
Aus: Isolde Schaad. Keiner wars. Limmat Verlag, 2001
Er hatte sich jeden Gedanken an sie versagt, als es vorbei war. Mann, vergiss, nicht dass sie an diesem Anschlag beteiligt war, und er sie als Terroristin hätte ausliefern müssen. Stolz wie er ist, hatte er damals keine Adresse gewünscht. Seither verläuft der Äquator durch Mainz, der Europa in einen Norden und einen Süden trennt. Wenn sie in Mainz wohnt, und er hofft brennend, dass sie noch in Mainz wohnt, dann gehört Mainz jetzt politisch zum Süden, wie die aufgeklärte Bezeichnung für die armen und elenden Länder nun lautet. Als würde der Begriff sie ein wenig trösten.
Fr, 10.05.02, 10:00
Mein Text so blau
Limmat Verlag, 1997
Aus: Isolde Schaad. Mein Text so blau. Limmat Verlag, 1997
Auf dem Sportplatz deutscher Dichtung
Es gibt ihn noch, den deutschen Wald, darinnen die Dichtung wohnt. Es gibt ihn heutzutage in den Medien. Ein Knopfdruck und wir vernehmen das Rauschen der Blätter aus moosfeuchtem Sagen. Ein bis zweimal im Jahr. Besonders im Frühling spürt man den Schein durch den Bildschirm. Annette von D. sieht sich gut repräsentiert. Soviele sind jetzt, die sie vertreten, da sie kaum noch aus Meersburg hinauskommt, mit ihrer akuten Arthrose. Auch Wilhelm erkennt seinesgleichen zuhauff. Er braucht sich seines Köhler-habits nicht mehr zu schämen. Das macht sich am Bildschirm. Das deutsche Erbe ist unterwegs nach Ham- Frank- und Klagenfurt.
So, 11.05.97, 11:00
Aus: Das Grinsen hinter dem Stuhl. Entwurf zu einem Sprechstück in: Leben, Lieben, Leiden im Büro
1991
Aus: Isolde Schaad. Bildersturm (Beitrag Anthologie). 1991
Sprechstücke, Textinszenierungen
Ernie (summt vor sich hin): Schönes Geschäft, sauberes Geschäft, hygienisch einwandfreies Geschäft, reversibles Geschäft, abwaschbar und doppeldeutig, bitte schön, danke schön, Chef in Singapur, Chef in Bangkok, Chef in Jakarta, Chef in Hongkong, Chef in Bümpliz, Chef beim Coaching, sag mal, Schätz... eh, Rosy, sag mal, wo ist der Chef eigentlich wirklich?
Rosy: Keine Ahnung, wieso soll ich das Wissen?
Ernie: So richtig verheiratete Frauen wie du wissen immer, wo Ehemänner sind, sie haben sozusagen einen Geruchssinn für den Aufenthaltsort von Ehemännern, es braucht ja nicht der eigene zu sein.
Rosy: Du bist geschmacklos Ernie, hab wirklich echt total keinen Schimmer, wo der Boss ist.
Sa, 30.05.92, 13:30
KüsschenTschüsss
Limmat Verlag, 1989
Aus: Isolde Schaad. KüsschenTschüsss. Limmat Verlag, 1989
Das Danken ist Ausdruck des Wachstums in dem alle allen danken können, weil es allen ziemlich gut geht. Falls es ihnen nicht ganz so gut geht wie ihrem eigenen Image, stützt der Dank die unklaren Stellen der Sozialpyramide, vor allem in der Firma. Das hat seine Zeit gebraucht. Den ganzen Aufstieg der Industriegesellschaft und die Entwicklung der Verwaltungsbürokratie. Es ist undenkbar, dass Rockefeller dem Schuhputzer gedankt hätte, der er einmal gewesen ist, denn es war lange Zeit psychologisch und dann ergonomisch destruktiv, die eigene Vergangenheit ans Licht zu zerren. Der reibungslose Dank setzt die absolute Gegenwart voraus. Er kommt und bleibt im Jetzt, das heisst in jenem Zustand, in dem alles okay ist. Heute dürfen bei uns alle allen danken ohne rot zu werden, denn alle wissen, dass die Firma sich mit ihm identifiziert. An Firmenfeiern, Jubiläumsausflügen, Klausfestlis wird der Dank traditionsgemäss von oben nach unten ausgeübt, dieses Brauchtum wollen wir beibehalten, es hat sich bewährt, sodass der Generaldirektor den Vizedirektoren dankt, die Vizedirektoren ihren Prokuristen danken, die Prokuristen den Abteilungsleitern danken, die natürlich alle dem Speditionschef danken, welcher es nicht versäumt, seinen sämtlichen Spediteuren den Dank auszusprechen, wobei der besondere Dank der Firma an diesem Tag der Abwartsfrau gilt, ohne deren tüchtige Mithilfe durchs Jahr der Umsatz der Firma nicht dermassen hätte steigen können.