Klaus Merz

Klaus Merz, geboren 1945 in Aarau. Seine Lyrik- und Prosawerke wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Solothurner Literaturpreis. Er lebt als freier Autor in Unterkulm. (2019)
Werke (Auswahl)
firma.
Haymon Verlag, 2019
Helios Transport.
Haymon Verlag, 2016
Unerwarteter Verlauf. Gedichte.
Haymon Verlag, 2013
Aus dem Staub.
Haymon Verlag, 2010
Der Argentinier.
Haymon Verlag, 2009
Der gestillte Blick. Sehstücke.
Haymon Verlag, 2007
firma
Haymon Verlag, 2019
«firma» sind zwei Bücher in einem, Prosa und Gedichte. Darin versammelt sind Skizzen aus dem Alltag einer Firma, aufgeschrieben als Chor, in Wir-Form. Klaus Merz zeichnet eine fünfzigjährige Firmengeschichte auf, zeigt den Betrieb als Weltumwälzmaschine und lässt Beiläufiges gross herauskommen. Es herrscht eine Heiterkeit in den Prosastücken wie auch in den Gedichten, und dennoch ist der Tod stets präsent.
Aus: Klaus Merz. firma. Haymon Verlag, 2019
Irina, die kurz nach dem Prager Frühling zu uns gestossen ist, sie trägt ein Medaillon um den Hals. Was denn unter dem Golddeckel stecke, wollen wir immer wieder von ihr wissen. Sie widersetzt sich den Neckereien konsequent, «zieht den Eisernen Vorhang zu», sagt Graber und erschrickt, als Irina ihm ihr Kleinod vor die Nase hält: Es ist ein Bild des jungen Jan Palach, der sich aus Protest gegen den sowjetischen Einmarsch selbst angezündet hat. Vier Jahre zuvor, auf den Tag genau.
Sa, 01.06.19, 10:00
So, 02.06.19, 11:00
So, 02.06.19, 15:00
Unerwarteter Verlauf. Gedichte
Haymon Verlag, 2013
«Nur diese Heiterkeit, innen» stellt sich bei der Lektüre dieser Gedichte ein, in welchen die Niederschrift von Beobachtungen oft einen unerwarteten Verlauf nehmen. Merz entdeckt dabei sprechende Bilder und erzählt mit Sprachwitz vom helleren Licht, das Gedichte spenden können.
Aus: Klaus Merz. Unerwarteter Verlauf. Gedichte. Haymon Verlag, 2013
Solothurn retour
Durch die Schattengasse trat ich auf den Landhausplatz hinaus. Sonne stach mir ent-gegen. Vor dem Kreuz thronten vornehme Teile unseres obersten Feuilletons. Aber die Unnahbarkeit ging nicht allein von dieser Bank aus; über sämtliche Tische zog sich ein hauchdünnes, für mein Auge aber deutlich erkennbares Netz von Abweisung, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als sofort wieder zum Bahnhof zurückzukehren, verschwitzt, und mich an Stelle der Literatur den Schweizerischen Bundesbahnen anheimzugeben.
Sa, 31.05.14, 12:00
Sa, 31.05.14, 17:00
So, 01.06.14, 14:00
Der Argentinier
Haymon Verlag, 2009
Er suchte eine neue Welt, wollte Gaucho werden und sein Steak unter dem Sattel garreiten – doch warum kehrte «der Argentinier» schon nach zwei Jahren um, wurde Lehrer, Ehemann, Familienvater und tanzte nie mehr Tango? Dieses Geheimnis setzt die Geschichte der Enkelin über ihren verstorbenen Grossvater in Gang. Doch Klaus Merz erzählt in seiner knappen, obertonreichen Prosa viel mehr als dessen Auflösung. Es ist ein Buch über unsere Welt und ihre Geschichten, über die Herzensbildung und die Liebe.
Aus: Klaus Merz. Der Argentinier. Haymon Verlag, 2009
Im Lauf seiner schlimmsten Nacht auf hoher See biss Grossvater ins Bild seiner Liebsten, die er in Eu-ropa zurückgelassen hatte, und erfuhr Linderung dadurch. Sie hatte am Tag seiner Abreise versteinert am Gleis gestanden, als er im Frühzug an ihrem Elternhaus vorbeigedonnert war und sein Taschentuch im Wind hatte flattern lassen.
Fr, 22.05.09, 16:00
Aus dem Manuskript in Arbeit
Sie haben den Heiligen aus seinem Sarkophag gehoben und auf den Seitenaltar gelegt. Ein alter Priester steht dabei und betet. Die junge Frau mit schwarzem Kopftuch, schwarzem Kleid brennt psal-modierend Weihrauch ab. Die andere Frau, schon älter, blond, hat dem Toten ihre Linke liebevoll auf den schwarzledernen Kopf gelegt, in seinen Augenhöhlen ist es Nacht. Die Frau hilft einem Bärtigen, auch er in Schwarz, mit ihrer freien Hand, so gut sie kann, bei dessen Arbeit aus. Er hat seinen Werkzeug- und Kleiderkasten auf einem Betstuhl abgestellt und nestelt am Gewand der Mumie herum, zieht ihr die ausgebleichte Stola langsam unterm steifen Händchenpaar hindurch, wechselt auch die gestickten Finken aus. Ein neuer Bischofshut liegt schon parat. Der dritte Mann fotografiert die Garderobenszene, die beiden Frauen lächeln nett, der Priester murmelt wieder ein Gebet. Alle Beteiligten scheinen ganz genau zu wissen, was sie hier wann und wo zu schaffen haben. Auch die paar hergelaufenen Touristen, die ihre Arbeit hinter den leeren Beichtstühlen hervor scheu und ungläubig mitverfolgen, stören nicht.
Do, 29.05.03, 17:00
Jakob schläft. Eigentlich ein Roman
Haymon Verlag, 1997
Aus: Jakob schläft. Eigentlich ein Roman. Haymon Verlag, 1997
Man habe die Vögel bis ins Nachbardorf schreien gehört. Mit brennenden Schwingen seien die Exoten im Käfig herumgeflattert, während Grossvater mit dem Gartenschlauch in der einen, einem Beil in der andern Hand gleichzeitig gelöscht und geschlachtet habe und vom Unterdorf her das Martinshorn allmählich näher gekommen sei.
Ein Lachender Hans ohne Kopf flog über den Gartenzaun aufs Bahngeleise hinaus, wo ihn später der Streckenwärter zwischen den rostigen Schwellen fand.
Die Brandstifter wurden nie erwischt. Und Grossvater liess von da an die Vögel bleiben, die mit ihren knarrenden Flüchen tagaus, tagein nur die Nachbarschaft genervt hatten.
Die eine der beiden Volieren diente uns später als Sandkasten. Hier buken wir Stangenbrote und Gugelhöpfe, bauten wir Schlösser, die Ritterburg, gruben wir uns auf den Erdmittelpunkt zu.
Und setzten wir am Tag nach der Sonntagsschule die Sintflut in Gang.
Sa, 11.05.02, 11:00
Jakob schläft. Eigentlich ein Roman
Haymon Verlag, 1997
Aus: Jakob schläft. Eigentlich ein Roman. Haymon Verlag, 1997
Man habe die Vögel bis ins Nachbardorf schreien gehört. Mit brennenden Schwingen seien die Exoten im Käfig herumgeflattert, während Grossvater mit dem Gartenschlauch in der einen, einem Beil in der andern Hand gleichzeitig gelöscht und geschlachtet habe und vom Unterdorf her das Martinshorn allmählich näher gekommen sei.
Ein Lachender Hans ohne Kopf flog über den Gartenzaun aufs Bahngeleise hinaus, wo ihn später der Streckenwärter zwischen den rostigen Schwellen fand.
Die Brandstifter wurden nie erwischt. Und Grossvater liess von da an die Vögel bleiben, die mit ihren knarrenden Flüchen tagaus, tagein nur die Nachbarschaft genervt hatten.
Die eine der beiden Volieren diente uns später als Sandkasten. Hier buken wir Stangenbrote und Gugelhöpfe, bauten wir Schlösser, die Ritterburg, gruben wir uns auf den Erdmittelpunkt zu.
Und setzten wir am Tag nach der Sonntagsschule die Sintflut in Gang.