Martin Klaus Menzinger
2009
spalten
von Martin Klaus Menzinger
spalten
(Auszug)
sag
ja so sag wie kommt der pelz des großen bären in den himmel der wendekreis des krebses in das haus des skorpions das chamäleon so
sprachs das kind so gschwind im galopp seines schaukelpferdes
sag
ja so sag wie kommt der pelz des großen bären in den himmel der
wendekreis des krebses in das haus des skorpions das chamäleon in das
kreuz des südens die draken die drachen
in die segel der schiffe
der wind
der wind
der wind;
so sprachs das kind so gschwind im galopp seines schaukelpferdes reitet dieses kind schneller ja immer
schneller reitet dieses kind durch den ring der manege knallt die
peitsche ja die peitsche knallt im galopp der schimmel tanzt dieses
zirkuskind im wirbelwind seines schaukelpferdes tanzt dieses kind so
gschwind mit dem seidenstrumpf am holzstumpf liegt dieses kind in den
laken seiner bettstatt liegt dieses kind im gitter meines gitterbettes
da bettet man unser kind auf steck nadel kissen ja mit tausend
stecknadeln im nagelbett jagt man diesem kind mit den nadeln der
spritzen das gift der tollkirsche in meinen augapfel
grellgelb ja
grellgelb;
mein schmerz mein
fieber jagt mit dem klappern meiner klapperschlangen jagt das lied der
rasseln meine träume durch die keller durch die gitter meines
gitterbettes lauf ich so wie ein wildes tier lauf ich durch das gehege
dieser anstalt das ist mein tollhaus mit tausend stimmen im kopf
zerplatzt mein hirn im spuk klopfen die geister bitten zur geisterstunde da tanzen die narren da klirren die ketten in der ohrmuschel meines
tollhauses tönt das stöhnen meines kindes durch das labyrinth dieser
anstalt laufen die männer in weiß die wärter die pfleger binden diesem
kind das gebein an das kreuz die schuld ja meine schuld offenbart sich
mit gespreizten gliedern schabt man diesem kind die haut von den knochen sengt man diesem kind das haar aus der scham schabt man diesem kind das kind das schreit um seiner seel schreit das kind schreit ums leben vor
dem flügelschlag eines schmetterlings schreitet die engelmacherin mit
dem besteck im gepäck schreitet die engelmacherin im glühen der alpe vom dorf rauf zum berg zum hof zur tat schreitet die engelmacherin vor dem
flügelschlag eines schmetterlings schneidet man diesem kind die sprache
so wie das messer den augapfel
ja damals in diesem sommer vor vielen jahren in der schwüle dieses
julihochsommertages da schnitt man diesem kind die sprache so wie das
messer den augapfel in spalten tausend
spalten
spalten
spalten;
so schnitt man diesem kind den satz das wort ja
so riß man diesem kind die zunge aus dem leib so wie dem fisch die
luftblase im wasser im see da schläft das moor das pech mit diesem glanz goldstaub
schwarzes ungeheuer du tiger mit den
krallen im pelz schlingst du deine arme um meinen atem verschlingst mich tiefer ja immer tiefer geh ich
zu grund
zu grund
zu grund;
im meer
da versink ich im körper treibt das gas das gedärm die leichen an die
ufer am strand da liegt ein mensch im sand verloren im fluß der gezeiten läuft das kind so gschwind mit diesem blick tod im aug läuft dieses
kind schneller ja immer schneller reitet dieses kind so gschwind im wind vom damm vom deich in das dorf mit dem kirchturm am platz da steht der
galgen mit dem gehängten am strick das ist der wandergaukler
mein spaßmacher
mit der narrenkappe am kopf die glocken die schellen die
locken im busch knallrot ja knallrot die kugelnase das lachen im gesicht das weinen die tränen in den augen dieses kindes ob den späßen seines
spaßmachers springt dieses kind mit einem satz in die luft folgt dieses
kind traumwandlerisch ja so ganz und gar traumwandlerisch folgt dieses
kind diesem mann vom zirkus in das zirkuszelt mit dem sternenhimmel in
der kuppel
das feuer der feuerschlucker
die messer der messerwerfer
der tanz der seiltänzer
mit pirouetten so wie
schmetterlinge im licht der scheinwerfer da wirbelt da zwirbelt die
trommel
tusch;
da ist
der löwe mit seinem sprung durch den ring der manege knallt die peitsche ja die peitsche knallt im galopp der schimmel tanzt die kunsttänzerin
mit dem seidenstrumpf am holzstumpf tanzt dieses zirkuskind im galopp
seines schaukelpferdes reitet dieses kind schneller ja immer schneller
reitet dieser spaßmacher mit seinem kind so gschwind im wirbelwind
seines ringelspiels schlägt dieser spaßmacher purzelbäume ja tausend
purzelbäume schlägt dieser spaßmacher schlägt
das kind
das kind
das kind;
ja voll
zärtlichkeit schlägt ja streut dieser spaßmacher blumen blüten küsse
über das kind das lacht das wacht das streckt das reckt die kuppen
seiner finger durch die gitter meines gitterbettes wandert der krebs mit seinen blutroten scheren schneidet dieser krebs scheren
schnitte
schnitte
schnitte;
schneidet dieser krebs splitternackt ja so ganz und gar
splitternackt stiert ja giert der blick meines spaßmachers das ist ein
messer im schritt da sitzt die vogelspinne mit dem samt im fell wiegt
unser kind im schoß da liegt mein bruder
mein lieber lieber bruder
wo ja wo um himmels willen warst du damals in diesem sommer vor vielen
jahren in der schwüle dieses julihochsommertages an meinem siebenten
geburtstag da spürte ich keine hand kein großer bruder streute seine
sterne über die laken meiner bettstatt im gitter meines gitterbettes da
schlummert der tiger mit den krallen im pelz schlingst du deine arme um
meinen atem verschlingst mich tiefer ja immer tiefer geh ich
zu grund
zu grund
zu grund;
im meer da versink ich im körper liegen
leichen greise kinder schwimmen so wie embryonen im fruchtwasser meiner
mutter treiben meine augäpfel mit den wimpern im wind schließt das lid
den sarg das grab schläft im schnee schwarzer schnee fällt so wie asche
vom himmel über meine gräber am friedhof der namenlosen verlieren sich
die klagelieder im stummen gebet flüstert das kind mit den knien auf dem birken holz scheit flüstert das kind vater unser im himmel geheiligt
werde dein name dein reich komme dein wille geschehe wie im himmel so
auf erden unser tägliches brot gib uns heute und vergib uns unsere
schuld wie auch wir vergeben unseren schuldigern und führe uns nicht in
versuchung sondern erlöse uns von dem bösen denn dein ist das reich und
die kraft in herrlichkeit in ewigkeit amen gegrüßet seist du maria voll
der gnaden der herr ist mit dir du bist gebenedeit unter den frauen und
gebenedeit ist die frucht deines leibes jesu der in uns den glauben
vermehre heilige maria mutter gottes bitte für uns sünder jetzt und in
der stunde unseres todes gegrüßet seist du maria voll der gnaden der
herr ist mit dir du bist gebenedeit unter den frauen und gebenedeit ist
die frucht deines leibes jesu der in uns die hoffnung stärke heilige
maria mutter gottes bitte für uns sünder jetzt und in der stunde unseres todes gegrüßet seist du maria voll der gnaden der herr ist mit dir du
bist gebenedeit unter den frauen und gebenedeit ist die frucht deines
leibes jesu der in uns die liebe entzünde heilige maria mutter gottes
bitte für uns sünder jetzt und in der stunde unseres todes
so sprachs das kind mit dem kreuz auf der stirn spricht das kind
mein lieber lieber papa
wie ja wie um
himmels willen kommt das böse in die welt das böse mein kind ja das böse das liegt im fleisch im blut fließt meine schuld ja meine schuld strömt durch meine adern strömt der strom das gas so wie ein kugelblitz
grellgelb ja
grellgelb;
mein schmerz mein fieber jagt mit dem
klappern meiner klapperschlangen jagt das lied der rasseln meine träume
durch die keller durch die gitter meines gitterbettes stiert ja giert
der blick meines spaßmachers splitternackt ja so ganz und gar
splitternackt schäm ich mich in die augen meiner mama
meine liebe liebe mama
so schlag mich ja
bitte
bitte
bitte;
so schlag mich mit birken reiser ruten schlag meinen schmutz vom leib meine
schuld im schritt da sind schon längst keine
scham
lippen
flügel;
kein
schmetterling fliegt in der schwüle dieses julihochsommertages an meinem siebenten geburtstag ja das war mein hochzeitstag mit tausend
hochzeitsglocken lag ich
im himmelbett
im gitterbett
da schlaf ich im grab im sarg mit rosen blüten
küssen wiegst du dein kind liebkosend ja so ganz und gar liebkosend
wiegst du unser kind in den schlaf
schlaf kindlein schlaf
der vater hüt die schaf
die mutter schüttelts bäumelein
da fällt herab ein träumelein
schlaf kindlein schlaf
ja so schlaf in den laken unserer
bettstatt im gitter meines gitterbettes da lacht da wacht das kind das
streckt das reckt die kuppen seiner finger durch die gitter meines
gitterbettes greifen die kuppen meiner finger ja mit tausend stecknadeln im nagelbett kratzen meine fingernägel den sand aus dem stein die zeit
ja was ist die zeit das ist eine perlmutterkette mit dem zwirn aus seide knüpf ich die knoten um meinen hals knöpf ich das seil steig auf den
kirchturm im dorf und spring mit dem letzten glockenschlag rauf in den
himmel höher ja immer höher spring ich fall ich
so wie ein engel in eine
hand voll träume.