Ingeborg Kaiser

Geboren 1930 in Neuburg/Donau. Lebt seit 1960 in Basel. Lyrikerin, Prosaistin, Dramatikerin. 1984/85 Hausautorin am Stadttheater Chur. Workshops für Lyrik in Boswil, Solothurn und Gniezno (Polen). (2015)
Oeuvres (Selection)
Ich war, ich bin, ich werde sein.
Edition Isele, 2015
Gegen Abend oder später. Lyrik und Prosa.
Mächler Media, 2010
Alvas Gesichter.
Mächler Media, 2008
Róza und die Wölfe.
Janus Verlag, 2002
Mord der Angst.
eFeF-Verlag, 1996
Eulenweg. Tagebuchnotizen einer Hausautorin am Theater Chur.
Gasser Verlag, 1986
Ich war, ich bin, ich werde sein
Edition Isele, 2015
Der essayartige Roman nähert sich in faszinierender Art und Weise der Figur der 1919 ermordeten Rosa Luxemburg, entwickelt Bilder ihres Lebens und Nachlebens und setzt sie dabei in Beziehung zu Rainer Werner Fassbinder, der 1982 während der Arbeit an einem Film über die Kommunistin starb.
De: Ingeborg Kaiser. Ich war, ich bin, ich werde sein. Edition Isele, 2015
Sagen wir Berlin und Ostbahnhof, ein Sonntag im Januar, lieber Jakow Bradkin. Fahles Mittagslicht drang durch die Wolkendecke, fiel auf Ihre gross gewachsene Gestalt, das markante Gesicht mit dem Tolstoibart. Sie stützten sich auf einen Stock und den Arm Ihrer Begleiterin, Ihre blauen Augen fassten mich, als Sie abschiednehmend sagten: «Ich warte auf Ihr Buch».
Ve, 15.05.15, 12:30
Sa, 16.05.15, 12:00
Di, 17.05.15, 13:00
Róza und die Wölfe
Janus Verlag, 2002
De: Ingeborg Kaiser. Róza und die Wölfe. Janus Verlag, 2002
Warschau
Die Stadt, in der die siebenköpfige Familie Luksenburg eine Wohnung nahm und die kleine Róza ihre Kinder- und Schuljahre verbringen würde, gibt es nicht mehr. Die unzähligen Schritte durch das Rundbogentor lange verhallt, das Lärmen, Klopfen, Hämmern der Hinterhausbewohner, ärmlicher Gewerbetreibender, die unter der Zarenherrschaft Alexander III. ein karges Leben führten. Auch der lange Antoni, der frühmorgens, Sommer wie Winter im kurzen Schafspelz, an der Pumpe des grossen Hofes stand, Gesicht und Hände auf den Besenstil stützte, ungewaschen und grübelnd, ist ein Bild von gestern. Und das kleine Mädchen, das in der Morgenstille ans Fenster schlich, nach dem Leben Ausschau hielt, obwohl es streng verboten gewesen sei, vor dem Vater aufzustehen. Und unvermittelt das laute befreiende Gähnen Antonis, der sich mit dem nassen Besen an die Arbeit machte, beinah spielerisch die Pflas-tersteine säuberte.
«Ich höre jetzt noch den schlürfenden, klatschenden Ton (...). Sein Hofkehren, das war ein Dichten.»
Ve, 30.05.03, 11:00
Sa, 31.05.03, 17:00
Mord der Angst
eFeF-Verlag, 1996
De: Ingeborg Kaiser. Mord der Angst. eFeF-Verlag, 1996
Das Dorf mittagsträg, seine Bewohner am Verdauen, Hochamt oder Frühschoppen und ein störungsfreier Familientag für die Mutter, die auf das Hochamt verzichtet hatte, dafür delikate Kaninchenbraten, auch ein Gottesdienst, die Familie vereint am Tisch. Zerlegen, kauen, schlucken, und keine Ueberraschungsattacken der Tochtersöhne, keine Revierkämpfe, die Zwillinge mit sich beschäftigt und der Sohn, ohnehin so stumm, zu übersehen, der versöhnende Geist des Pfingstfestes bei ihnen. Plötzlich der Hahn, sein verrücktes Krähen befremdlich um diese Zeit und so ausdauernd, als müsste er die Feiertagsruhe zerkrähen, aber es schien niemanden zu kümmern, auch nicht das Hornen der Streifenwagen, die den Ort durchjagten. Endlich das Gellen der Totenglocken vom Kirchhügel, zuerst die grosse Glocke, ann die kleine Glocke, die grosse, was die Bewohner aufmerken liess, beunruhigte. Keiner wusste, ob es einen Mann oder eine Frau aus der Gemeinde ereilt habe, noch nie hatte die Männerglocke mit der Frauenglocke im Wechsel den Tod angezeigt, bis ihre Tonfarben ausliefen, verschmolzen, nichts mehr auseinanderzuhalten war.
Mannfraumannfraumann.
Ve, 17.05.96, 17:00
Aus: Unbekannt
Gasser Verlag, 1986
De: Ingeborg Kaiser. Eulenweg. Tagebuchnotizen einer Hausautorin am Theater Chur. Gasser Verlag, 1986
liebe gewohnheit
doch
es geht mir
gut und
stolpere ich mal
ins lachen
fängt mich
der schatten
auf