Ana Lang
Rauhnacht
Haymon Verlag, 1996
Aus: Ana Lang. Rauhnacht. Haymon Verlag, 1996
stunden waren vergangen. der abend warf rubinroten schein durchs fenster, tauchte die szene in dunkle glut. die ge- rausche waren leiser geworden. papier ra schelte, seide knisterte. goldfell für die damen, flüsterte basil, brokat und schweren taft, feine schleier wie dunst so diinn. alle umgaben sie ihn die marei, das kätherli, die gret, zuletzt die schöne braut. eine nach der andern holte er sich zum tanz: rundherum, küsschen hie, küsschen da. stellte die tänzerin wieder hin, wo sie weiter drehte, um sich selber, im knarrenden gewinde des ständers aus holz, endlich dann still stand, still blieb. ihm abgewandt, kopflos, armlos, eine schneiderbüste eben, ein aufgeputztes ding, an dem stoffe drapiert, falten geheftet, saumlängen angekreidet wurden, die achseln mit polstern unterlegt, der busen mit einnähern versehen.
müde vom spiel, riss er den damen die kleidchen weg, beliess ihnen auch die kettchen und seidentücher nicht. enthüllte sie, bis auf das letzte stück, das bleiche, abgeschabte leinen, das an den rändern zerfranst, den rundungen nach vom ewigen stecken zerlöchert war. nicht dass er einen schlitz oder ein loch angebracht heran, nahm sie der reihe nach. zuletzt die braut über elfenbeinfarbener seide, worauf sie lag, als sei's das erste mal.
seine roten äuglein streiften den nähten lang, trennten die stiche auf, bis sich gross und immer grösser ein auftat, weit genug für ihn. den kopf über dem offenen schoss, schlief er ein, traumte, er musse durch einen endlos langen tunnel kriechen, er würde gedrückt und gestossen vom weich warmen ins kalte harte hinaus.