Arno Geiger (AT)

Arno Geiger, geboren 1968. Studierte Literaturwissenschaft und ist Schriftsteller und Videotechniker. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen der Roman «Es geht uns gut» und der autobiographische Bericht «Der alte König in seinem Exil». Er lebt in Wolfurt und Berlin. (2023)
Werke (Auswahl)
Das glückliche Geheimnis.
Carl Hanser Verlag, 2023
Unter der Drachenwand.
Carl Hanser Verlag, 2018
Selbstporträt mit Flusspferd.
Carl Hanser Verlag, 2015
Der alte König in seinem Exil.
Carl Hanser Verlag, 2011
Es geht uns gut.
Carl Hanser Verlag, 2005
Das glückliche Geheimnis
Carl Hanser Verlag, 2023
In seinem neuen, autobiografischen Buch blickt Arno Geiger auf seinen Werdegang und seine Anfänge als Schriftsteller zurück. Er reflektiert über das Schreiben und sein Leben als – heute ehemaliger – Abfall- und Geschichtensammler, der im vermeintlich wertlosen Altpapier Wertvolles findet, und über das Glück eines solchen Geheimnisses. Über den erst ausbleibenden und dann eintretenden Erfolg, über das Scheitern und Reüssieren. Ein menschlicher, offenherziger und ehrlicher Text.
Aus: Arno Geiger. Das glückliche Geheimnis. Carl Hanser Verlag, 2023
«Außenseiter sein hat auch sein Gutes. Wenn man auf der Straße steht, kein Ansehen hat in einem tieferen Sinn, nicht beachtet, nicht gesehen wird, nicht anwesend ist: Wie schön! So vieles ist auf Gesehenwerden angelegt. Überall Gieren nach Aufmerksamkeit. Ich glaube, ich war auf eine gute Art heruntergekommen. Ich war bestrebt, ein Leben zu leben, in dem ich im guten Sinn kein Ansehen hatte.»
So, 21.05.23, 14:00
Der alte König in seinem Exil
Carl Hanser Verlag, 2011
In seinem neuen, preisgekrönten Buch «Der alte König in seinem Exil» stellt sich Arno Geiger der Alzheimer-Krankheit seines Vaters. Sehr persönlich beschreibt er, wie Demenz ihre Beziehung verändert; er lässt Wut und Verzweiflung zu, und gerät doch nie ins seichte Gewässer der Larmoyanz oder Blossstellung. Arno Geiger nimmt das Publikum mit auf eine berührende Reise ins Land der Vergesslichkeit, wo immer noch Erstaunliches möglich wird. Und wo der Sohn auch eine neue Nähe zum Vater findet.
Aus: Arno Geiger. Der alte König in seinem Exil. Carl Hanser Verlag, 2011
Wo bist du am liebsten, Papa?
Das ist schwer sagen. Ich bin halt doch am liebsten auf der Strasse.
Was tust du auf der Strasse?
Spazieren. Ein bisschen laufen. Aber ich bin nicht gut besattelt. Meine Schuhe haben nicht die richtige Übersetzung.
Also, es gefällt dir am besten auf der Strasse, obwohl du dort nur langsam vorwärtskommst?
Ja. Weisst du, hier herinnen ...
Gefällt es dir hier herinnen nicht?
Was soll ich hier tun? Ich weiss, die Strasse ist nicht immer das richtige, aber doch das angenehmste, wenn sie trocken ist. Dort kann ich mich ein wenig umschauen, das tut keinem weh.
Fr, 03.06.11, 17:00
Es geht uns gut
Carl Hanser Verlag, 2005
Aus: Arno Geiger. Es geht uns gut. Carl Hanser Verlag, 2005
Und dennoch: Da fühlt sich einer (ich) zu einer Frau hingezogen (Johanna), die stichhaltige Prognosen abgibt darüber, wie die Dinge einmal sein werden, zu einer Frau, die bestrebt ist, das Mass an täglicher Unsicherheit zu schmälern.
Insgeheim möchte doch jeder wissen, wie die Zukunft sein wird, und sei es nur, damit es in der Gegenwart leichter fällt, sich einzubilden, dass man weiss, was man tut.
Johanna, die Wettersammlerin, der Wetterfrosch (die Wetterhenne?) sagt: Je geistreicher du zu sein versuchst, Philipp, desto mehr rennst du vor dir selbst davon. Deine Klugheit ist dein bevorzugtes Mittel, dich vor dem zu drücken, wofür du deine Klugheit eigentlich verwenden solltest. Du läßt dich mit Vorliebe auf Dinge ein, die harmlos sind und ungefährlich – auf all das, was sich nicht lohnt. Auf all das, was ausserhalb deiner Selbst liegt. Du bist ein Feigling. Feiger als ein Stallhase.
Und weiter: Alles, was du machst, ist ein Versuch, Kontrolle zu bewahren. Deine Passivität ist eine strategische Passivität, die dich vor der Gefahr bewahren soll, dich Dingen auszusetzen, die nicht angenehm sind. Dein Vater hat sich die Aufgabe zum Beruf gemacht, die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen zu minimieren, und du versuchst dasselbe in deinem Privatleben. Du glaubst, du kannst den Katastrophen ausweichen oder wenigstens deine Probleme vereinfachen, indem du dich so wenig wie möglich bewegst. Deine Strategie ist es, drei Meter neben der Strasse zu stehen, um den Preis, dass das Leben an dir vorbeigeht. Es ist alles nur, damit die Katastrophe ausbleibt.