Curt Zimmermann
Aus: Silentium, unveröffentlicht
1990
Aus: Curt Zimmermann. Zechprellen. 1990
Zuhörer, diese aufsässigen Prellböcke beim konzentrierten Hantieren mit Klaviertasten, störten allein schon durch ihre widerliche physische Präsenz. Verunmöglichten ehrliche Handwerksausübung, irritierten, selbst wenn sie versuchten sich still zu halten, durch Geräusche mannigfachster unregelmässiges Atmen, nervöse Mundbewegungen, Zungenschnallen, Herumrutschen auf Stühlen, nicht zuletzt die unvermeidliche Hüstelei, oft das Schnäuzen ins Taschentuch. All dies Aurazerstörung in Permanenz. Die Nonenakkorde gerieten daneben, und das Werk war im Eimer. Zuhörer, die ja gar nicht zuhörten, die, wenn sie ein gespieltes Werk wiedererkannten, ebendieses Werk unzerkaut hinunterschluckten. Dann wieder, das konnte nicht schnell genug gehen, wieder ausschieden aus ihrer Hirnmasse, oder, wenn's herzergreifend war, aus ihren dicken Hintern. Diese Zuhörer, die statt zu hören Grunde mur gafften, glotzten, lediglich auf Fortissimoexzesse, Karateschläge der linken Hand und das, was sie als Arpeggien bezeichneten warteten. Ihr Ohrenschmalz war leicht in Gärung zu versetzen. Nichts anderes waren sie, diese Zuhörer, als eine einzige ständige Konzentrationszertrümmerung. Ihre Schweissausbriiche nach den ersten Trillerfolgen, nach dem Einsetzen der Ostinatobässe unvermeidlich. Wenn einer in allernächster Nähe zum Instrument sass, und das taten sie fast immer, diese Kulturvoyeuristen, dann vermischte sich sein Mundgeruch mit den Quartsexaktkorden: und die Fäulnis von Körperemission, der Gestank unterdrückter Fürze lagerte auf den Fermaten des letzten Taktes.