Erwin Koch

Geboren 1956 in Hitzkirch, wo er heute noch lebt. Promovierter Jurist. Er schreibt Reportagen u.a. für Das Magazin, Spiegel, stern, Geo und Die Zeit. Er gewann zweimal den Egon-Erwin-Kisch-Preis. (2013)
Werke (Auswahl)
Von dieser Liebe darf keiner wissen: Wahre Geschichten .
Verlag Nagel & Kimche AG, 2013
Nur Gutes.
Verlag Nagel & Kimche AG, 2008
Sara tanzt.
Verlag Nagel & Kimche AG, 2003
Fr, 10.05.13, 11:00
Sa, 11.05.13, 12:00
Nur Gutes
Verlag Nagel & Kimche AG, 2008
In «Nur Gutes», seinem jüngsten, dritten Roman inszeniert Erwin Koch ein packendes Kammerspiel und erzählt davon, wie der Schrecken unerwartet in geordnete Verhältnisse hereinbrechen kann. An einem Dezembermorgen geniesst das Ehepaar Mangold noch einige ruhige Momente. Albert, Pfarrer, geht noch einmal seine Predigt durch, Dagmar will gerade den Sonntagsbraten in den Ofen schieben, denn bald wird Sohn Simon mit den Enkelkindern vorbeischauen. Da klingelt es und der Tag nimmt einen unerwarteten Lauf.
Aus: Erwin Koch. Nur Gutes. Verlag Nagel & Kimche AG, 2008
«Als die Erde kalt war, schon fast steif, dachte ich, ich kann nicht länger hier sein, nicht ewig an seinem Grab sitzen und die kleine Kurbel drehen, diese Musikdose aus Finnland, die ich ihm gebracht habe zum Abschied. Ich grub sie wieder aus und steckte sie umgekehrt ins Grab. Die Kurbel voran.»
Anna stiess Luft durch die Nase.
«Damit er sie drehen kann, wenn ihm danach ist. Wenn ihm langweilig ist da unten. Bei den Maden und den Teufeln.»
Anna sah zum Fenster und schwieg.
So, 24.05.09, 13:00
Sara tanzt
Verlag Nagel & Kimche AG, 2003
Aus: Erwin Koch. Sara tanzt. Verlag Nagel & Kimche AG, 2003
Sie hob die Schultern, mir schien, sie sehe mich länger an, als ihre Antwort verlangte, sie hob die Schultern und lächelte, bis der Mund sich öffnete, ich sah ihre Zähne. «Ich habe kein Lieblingsstück, doch Ihr Spiel», sagte sie, «wärmt mich, Frits», sie sagte, «Frits.» Dann nahm sie den Besen und begann zu wischen, ich streichelte den Hals des Cellos, führte meine Finger über den Frosch, strich den Bogen über die Saiten und drehte an den Wirbeln. Sie ging in die Knie und wusch den Boden mit einem nassen Tuch, sie wusch in langsamen gleichen Kreisen, ihr Rücken, als sie jetzt den Boden wischte, schwingt hin und her, ihr Gesäss, die Schultern, der Hals, ihr ganzer schmaler Leib – ein Pendel, eine Glocke, das Haar, das ihr in die Stirn fällt, fliegt hin und her und hin und her, Sara wäscht in gleichen schönen Amplituden, Sara tanzt, Frau Broffe tanzt in Zimmer vier, langsam, in Andacht, ich begann mit dem Ton c, wechselte zu einem a, zu einem f, ich spielte, spielte zum Tanz auf, nie zuvor hatte ich zum Tanz aufgespielt, ich spielte, spielte ex tempore, eine Minute oder zehn, Sara tanzte in langsamen gleichen Kreisen. Irgendwann drehte sie sich zu mir, sie weinte, ich glaube, sie weinte. «Steh auf.» Sie sah mich an.
«Bitte», sagte ich. Jetzt stand sie auf, ja, sie weinte. Ich schob mit dem Pernambuco-bogen die Tür zu, wenig nur, damit man uns von der Küche aus nicht sah, ich tat, als stimmte ich mein Instrument, Sara stand vor mir, sie sah lächerlich aus, sie rieb sich die Gelenke, roch nach Rosenöl und Schweiss. «Hören Sie gut zu», sagte ich.