Frank Heer

Frank Heer, geboren 1966. Er ist Redaktor für Musik und Film bei der «NZZ am Sonntag», schreibt als Freelancer für «Das Magazin» oder «Die Zeit». Als Korrespondent lebte er in New York. 2005 erschien sein Romandebüt «Flammender Grund». Nebenberuflich ist er Musiker. (2022)
Werke (Auswahl)
Alice.
Limmat Verlag, 2022
Flammender Grund.
Hoffmann und Campe Verlag, 2005
Alice
Limmat Verlag, 2022
Max Rossmann, Journalist für eine konservative Zeitung, gerät in Liebes- und andere Nöte. Seine Ex-Freundin und eine geheimnisvolle Folksängerin, die unvermittelt in sein Leben tritt, tragen denselben Namen. Im Streit der Gefühle geschehen zusätzlich mysteriöse Dinge, über die er als Reporter berichten soll. Der Roman wird zunehmend zum Krimi. Das Kaleidoskopische des Textes ist getragen von einem Sound und Rhythmus, in denen man unschwer den Autor als nebenberuflichen Musiker erkennt.
Aus: Frank Heer. Alice. Limmat Verlag, 2022
«Du hast mir noch nichts von dir erzählt. Bist du verliebt?»
Sie tat entrüstet: «Ich? Nein. – Das heißt … ich war es, für eine kurze Zeit … Aber es wurde nichts draus. Du?»
«Ich habe jemanden kennengelernt.»
«Ach ja? Bist du mit ihr zusammen?»
«Schwer zu sagen.»
«Ach komm, so was weiß man doch. Wie heißt sie?»
«So wie du: Alice. Sie ist Musikerin.»
Ich konnte hören, dass sie sich eine Zigarette ansteckte. Sie rauchte nur, wenn sie nervös war.»
Sa, 28.05.22, 13:00
Flammender Grund
Hoffmann und Campe Verlag, 2005
Aus: Frank Heer. Flammender Grund. Hoffmann und Campe Verlag, 2005
Ich hätte ihr gerne die Kleider vom Leib gerissen, mein Gesicht zwischen ihre kleinen Brüste gedrückt und ein wenig vor mich hingewimmert. Ich begriff in dieser Sekunde – noch bevor ich mir Gedanken darüber machen konnte, was ich von ihr wollte – dass mich dieses Mädchen nie lieben würde. Trotzdem sass sie neben mir und streichelte meinen Verband wie ein verdammtes Plüschtier. Heute bin ich überzeugt, dass ich sie hätte nehmen sollen. Damals, in diesem Canyon. Sie hätte sich erst aus Prinzip gesträubt, sich dann jedoch schnell gefügt und mich verschlungen mit Haut und Haar. Ich hätte mich in ihr verloren, verbissen, verankert, und sie hätte geschrien vor Lust und Dankbarkeit. Ja! Einmal wenigstens hätte ich sie schreien gehört! Einmal nicht in dieses entrückte Engelsgesicht blicken müssen, das mich nur am Rande wahrzunehmen schien. Am Ende konnte ich es nicht mehr ertragen: diesen stummen Ausdruck von Grossmut und Gleichgültigkeit, dieses ständige Zurschaustellen, dass ihr das Leben gehörte und sie es auch zu leben verstand. Ja, ich hätte sie einfach nehmen sollen. Dort unten auf diesem Fels. Wir hätten uns geliebt, in blosser Verzückung, wimmernd, flehend, bebend. Danach wären wir hinaufgestiegen zur Terrasse; ich hätte mich in mein Auto gesetzt, eine Zigarette angezündet und wäre losgefahren. Alleine. Goodbye, ladies, goodbye. Und alles wäre anders gekommen.