Irena Brežná

Geboren 1950 in Bratislava, lebt in Basel. (2012)

www.brezna.ch

Werke (Auswahl)

Die undankbare Fremde.
Verlag Galiani Berlin, 2012

Die Sammlerin der Seelen.
Aufbau Verlag, 2003

So kam ich unter die Schweizer, Slowakische Fragmente.
1986

2012

Die undankbare Fremde

Verlag Galiani Berlin, 2012

«Gefällt Ihnen Ihr Spiegelbild?», fragt rhetorisch eine schweizweit aktive Fitness-Studiokette gegenwärtig auf Weltformat-Plakaten. Sie könnte Irena Brežnás Roman meinen. «Die undankbare Fremde» ist der brisanteste Roman über die Schweiz dieses Frühjahres. Eine namenlose Protagonistin bewahrt den ‚Fremden Blick‘ und beschreibt in kurzen Essays ihre Emigrationserfahrung. Geschickt wird diese Ebene mit knappen Szenen kontrastiert: Schilderungen von Begegnungen mit in der Schweiz gescheiterten Fremden aus der Arbeit der Protagonistin als Dolmetscherin.
Noch nie wurde mit solcher Schärfe Schweizerische Eigenheiten und Umgangsformen auf den Punkt gebracht.

Aus: Irena Brežná. Die undankbare Fremde. Verlag Galiani Berlin, 2012

Ich spiele Pingpong mit Sprachen, Kulturen, Fremdheiten, fange die Bälle und schmettere sie zurück, reich an Erfahrung, furchtlos, leicht und bejahe mein Emigrantenschicksal in seiner ganzen gnadenvollen Tragweite. Die erworbene Beweglichkeit stelle ich den Neuankömmlingen zur Verfügung, die gestandene Veteranin, in jeder verletzten Körperzelle trage ich den Wissensvorsprung.

Lesung: Irena Brežná, 18.05.2012, SLT
Icon Poet, 20.05.2012, SLT

Fr, 18.05.12, 18:00

Lesung
Landhaus Säulenhalle
Moderation: Franco Supino

So, 20.05.12, 13:00

Veranstaltung
Icon Poet
Mit: Martin R. Dean, Rolf Lappert, Bettina Spoerri
Landhaus Gemeinderatssaal
Moderation: Michael Guggenheimer
2004

Aus: Schneidern und Weben an der europäischen Identität, Essay in «Passagen»

Aufbau Verlag, 2003

Aus: Irena Brežná. Die Sammlerin der Seelen. Aufbau Verlag, 2003

In Dubrovnik traf ich 1998 kroatische Bäuerinnen, die aus ihren von der serbischen Soldateska in Brand gesteckten Dörfern vertrieben worden waren. Internationale Organisationen schenkten ihnen humanitäre Hilfe - leblose, graue Kleider, die westliche Frauen abgelegt hatten. Die Bäuerinnen erzählten von ihrer Verletzung durch diese Geste des müden Wohlwollens. Nun hatten sie ihr Land, Ihr Haus verloren und sollten auch noch die ureigenste weibliche Haut einbüssen - ihre selbstgenähte, farbige, traditionelle Kleidung. Einige wollten in Wut die bedrohliche westliche Nivellierung wegwerfen, um ihre Identität zu wahren, doch eine Idee der Transformation wurde geboren. Die Frauen zerschnitten die fremde Identität in Streifen, in Vierecke, in Dreicke und nähten die von der Form befreite Wolle, Seide, Baumwolle, Spitze, den Polyester und Samt aneinander zu grossen farbigen Decken, mit denen sie sich zudeckten. Unter dem europäischen Patchwork, das sie selbst erschaffen hatten, ruhten sie sich aus. Seine Wärme und Breite konnten sie annehmen, darunter bewahrten sie sich auf der Flucht, harrten aus, um später in ihre Dörfer zurückzukehren. Die innovativen, stolzen kroatischen Bäuerinnen zeigten mir, wie europäische Identität sein kann. Sie schenkt Geborgenheit, aber liegt nicht direkt an der Haut und muss zuerst zerschnitten und dann von uns selbst neu zusammengenäht werden. Das gemeinsame Schneidern, identitätsstiftend.

Fr, 21.05.04, 18:30

Kurzlesung
Aussenbühne Klosterplatz

So, 23.05.04, 10:30

Lesung
Landhaus Säulenhalle
Moderation: Liliane Studer
1988

Auszug aus einer unveröffentlichten Kurzgeschichte

1986

Aus: Irena Brežná. So kam ich unter die Schweizer, Slowakische Fragmente. 1986

Wenn seine Geliebte von ihm träumte, erschien ihr Alfa abgerundet und fest, gleich einem alten moosbewachsenen Felsen am Wegrand, und sie wachte davon zuversichtlich auf. Dabei stand Alfas Gewebe nur aus ineinander verflochtenen Sehnsüchten, die ihn mit Leichtigkeit zusammenhielten, denn das Netz war in der Tat erstaunlich dicht. Alfa besass in der Metropole kein Haus und er ging keiner Arbreit nach, denn er wollte in dem fremden Land keinen Ballast aufnehmen. Er war flugbereit. Das grüne Schilfrohr, die grünen Mangofrüchte, die Regenzeit. Unbeteiligt ging er durch die schmalen Gassen der Metropole wie ein Gefangener durch die Gänge eines rieseigen Gefängnisses geführt wird.
Der Appell aus der Zentrale wurde irrtümlicherweise in den Briefasten seiner Schwester eingeworfen, und Alfa fand ihn in ihren Händen. Der Mann, so stand dort in roten Buchstaben, war auch 31 Jahre alt und hatte eine Einmannpartei zur „Wiederherstellung der Gerechtigkeit“ gegründet. Vier Tage lang trug Alfa den Appell mit sich, und dann holte er ihn wieder hervor. Es regnete, und er stand vor dem massiven Gebäude der Hauptpost. Den ganzen Nachmittag schrieb er am Brief, er fing mit „Mein Bruder“ an und er sagte alles. Er hatte kein Geld und schickte den Brief unfrankiert ab.


Fr, 13.05.88, 15:00

Lesung
Landhaus Gemeinderatssaal