Isabelle Stamm
Schonzeit
Limmat Verlag, 2010
Miruna Lupescu und Johann Tschanun begegnen sich eher zufällig: Sie schlägt sich als Übersetzerin durch, er hat ein Bündel rumänischer Briefe seines Grossvaters Gabriel Alexandru, mit denen er nichts anzufangen weiss. Mit dem Übersetzen beginnt für Johann eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit seiner Familie. Und auch bei Miruna drängen Erinnerungen hoch. Isabelle Stamm verschränkt in ihrem zweiten Roman subtil die Geschichten zweier Familien, die in der Spannung zwischen Rumänien und der Schweiz leben und von ihr letztlich auseinandergerissen werden.
Aus: Isabelle Stamm. Schonzeit. Limmat Verlag, 2010
Und die Welt begann, sich langsamer zu drehen. Ich konnte ihr folgen. Hatte den Adlerblick, ein goldenes Händchen und eine Silberzunge. Alles war möglich. Nichts erstaunte mich. Das waren die Momente, in denen Feen durchs Fenster in mein Zimmer fliegen und Raben sprechen, in denen die Unruhe in mir sich legt und ich zwar so wenig klar sehe wie sonst, mir dies aber keine Angst macht.
So, 16.05.10, 12:00
Zwillings Welten
Edition Isele, 2008
Schauplatz ist zunächst ein Bergdorf, möglicherweise hat sich Alex dorthin verzogen — das will sein Zwillingsbruder nun herausfinden, und damit setzt der Roman auch ein. Aber zugleich will der Ich-Erzähler noch mehr erfahren, er will wissen, wie es um ihn selber steht, wie es mit ihm weitergehen soll. Er begibt sich auf eine Suche, die auch eine Reise ist. Mit „Zwillings Welten“ legt Isabelle Stamm ihre erste literarische Veröfffentlichung vor, einen Roman von grosser Dichte.
Aus: Isabelle Stamm. Zwillings Welten. Edition Isele, 2008
Ich bin meinem Bruder hierher gefolgt. Endlich. Es ist kalt, trocken, Geräusche und Stimmen dringen gedämpft an mein Ohr. Ich folge der Wegbeschreibung, die ich mir auf einen Zettel notiert habe. Denke dabei, wie gut es tut, fern zu sein. Fern dem eigenen beengenden Dorf, der eigenen allzu vertrauten Stadt, den immer gleichen Wegen und Läden und Gewohnheiten, die den Geist einkreisen und klein machen, fern auch den Freunden und Bekannten und Eltern und Verwandten, ihren Blicken, ihren Fragen. Fern.