Kuno Raeber
Sacco di Roma
1989
Aus: Kuno Raeber. Sacco di Roma. 1989
Das Wasser, kaum dass du den Pfropfen herausziehst, fliesst aus der Wanne, langsam zuerst und dann schneller und schneller, den Abfluss hinunter, nur den Seifenschaum fortzuspülen, bedarf es der gebündelten Wasserstrahlen der Dusche, der Schaum bäumt sich auf, sammelt sich, türmt sich zu einem schmutzigen Schneegebirge, träge und zögernd beginnt es um das schwarze Loch zu kreisen, erst am Ende, vom Sog des Wirbels gezwungen, stürzt es hinein und verschwindet, nicht auf einmal jedoch, das Schaumgebirge lässt sich vielmehr in Stücke reissen und bildet Widerstandsnester, die sich am Wannenrand oder an sonstwo abgelegenen Stellen der Strömung zu entziehen versuchen, so dass du, falls du voreilig aufgibst, nicht lange genug hinschaust, glauben könntest, es gebe da eine Chance des Entkommens, der Rettung, doch das ist keineswegs so, der ungleichmässige Verlauf des Prozesses ändert nichts an seinem Ausgang, die Spiele des Schaums, seine Kapriolen am Abfluss, einmal dicht, einmal dünner, die Tempowechsel im Zurückweichen und in der Annäherung, immer dramatisch, Adagio, Crescendo, Presto, Molto Presto, Diminuendo und Presto wieder von vorn, das ist spannend zu sehen, kann lange dauern, einen ganzen Aeon, bis zu drei Minuten kann das Drama dauern, der Kampf, die Agonie des Schaums dem Abfluss entgegen, ins Loch hinab, du vergisst das Ende, das vorher bestimmte, vorhergewusste, konzentrierst dich ganz auf den Moment, wie sich eins aus dem andern ergibt, Streit und Versöhnung, Trennung, Umarmung...
Sa, 06.05.89, 09:00
Alexius unter der Treppe oder Geständnisse von einer Katze
1973