Oscar Peer

1928-2013. Geboren in Lavin (Unterengadin). Nach einem Romanistik- und Germanistikstudium an der Universität Zürich unterrichtete er Französisch und Italienisch in Winterthur und Chur. Nach seiner Pensionierung lebte er in Chur als Schriftsteller. Er schrieb auf Deutsch und Romanisch. Er erhielt diverse Auszeichnungen, u.a. 1996 den Gesamtwerkspreis der Schweizerischen Schillerstiftung, 2003 den Kulturpreis des Kantons Graubünden. Er starb am 22. Dezember 2013. (2015)

Werke (Auswahl)

Akkord / Il retuorn.
Limmat Verlag, 2005

Nozzas d'Invern.
1989

Grenzstation.
1984

Übersetzungen (Auswahl)

Oscar Peer. La Vieille maison.
Übersetzt von Walter Rosselli.
Editions Plaisir de Lire, 2013

La Chasa veglia.

2006

Akkord / Il retuorn

Limmat Verlag, 2005

Aus: Oscar Peer. Akkord / Il retuorn. Limmat Verlag, 2005

Als er nach drei Jahren Gefängnishaft zurückkehrte, besass er nichts mehr. Alles hatten sie ihm weggenommen, die so genannten Mitmenschen – das Haus, den Stall, auch die Felder, die er früher bebaut hatte. Das Haus war allerdings nie sein Eigentum gewesen; er hatte nur sein Leben lang darin gewohnt und mit der Zeit das Gefühl gehabt, es gehöre eigentlich ihm. Besitzerin war eine nach Übersee ausgewanderte Verwandte, Tante und Patin seiner Frau, von der man schon lange nichts mehr gehört hatte; sie zahlten keinen Mietzins, es kamen weder Briefe noch Rechnungen, so dass er sich fragte, ob sie überhaupt noch am Leben sei.

Cur ch’el es tuornà davo trais ons our da praschun, nu possedaiva’l plü inguotta. Tuot til vaivna tut davent, seis uschedits conumans – la chasa, stalla e tablà, eir quels pêr prats ch’el cultivaiva üna jada. Id es vaira cha la chasa nu d’eira in fuond sia, ma el vaiva adüna vivü laint, daspö l’infanzia, el cugnuschaiva mincha chantun, mincha sfessa, i’s vaiva oramai surgni ün pa la listessa odur. Possessura d’eira üna parainta emigrada sur mar, la madrina da sia duonna. Quella nu’s vaiva lönch na plü fatta viva, nu faiva neir pajar fit, i nu gnivan plü ne quints ne chartas, tant chi’s dumandaivan sch’ella saja insomma amo in vita.


Fr, 26.05.06, 15:00

Lesung
Altes Spital, kleiner Saal
Moderation: Mevina Puorger
rm/de
1990

Aus: unbekannt

1989

Aus: Oscar Peer. Nozzas d'Invern. 1989

Ich wollte nie ein Aussenseiter werden. Ein Einzelgänger bin ich oft gewesen, schon als Knabe. Auch heute kommt es vor, dass ich mich aus der Gesellschaft davonstehle, vor allem wenn sie zu lustig wird. So etwas hat man wahrscheinlich im Blut - vielleicht das Erbe der Mutter, die zum Beispiel auf Dorfbällen oft schlechtgelaunt gewesen sein soll, obwohl sie schön und erfolgreich war. Dabei weiss ich so gut wie ein anderer, dass wir da sind, um miteinander zu leben nicht Herdentiere, die nur Wärme brauchen, sondern Wesen, die auf Fragen und Gebärden reagieren. Ich habe auch nie einer uneingeschränkten Freiheit nachgeträumt, ich bin für Anschlüsse, auch wenn sie etwas kosten. Wenn ich heute an den Rand geraten bin, ist das nicht meine Schuld. Ich mag überhaupt nicht immer von Schuld reden, ich mag das Wort nicht. Als ob wir immer frei wählen könnten! Wir sind nicht Regisseure unserer Bewegungen, die Dinge kommen auf einen zu, man kann nicht ständig ausweichen. Auch Christus ist nicht ausgewichen, weder den Gequälten noch denjenigen, die ihn kreuzigten. Der Satz stammt übrigens nicht von mir, ich hörte ihn gestern an der Beerdigung meines Chefs Dr. Alex Corradi, wahrscheinlich habe ich ihn rein zufällig aufgeschnappt, da ich während der ganzen Feier etwas zerstreut war und mich kaum auf die Worte des Geistlichen konzentrieren konnte.

Sa, 26.05.90, 11:00

Lesung
Doppellesung Oscar Peer und Flurin Spescha
Kreuzsaal
Moderation: Clá Riatsch
rm/de
1986

Grenzstation

1984

Aus: Oscar Peer. Grenzstation. 1984

Es kam so, weil er beschlossen hatte, auf diesen Berg zu steigen, um vielleicht noch einmal zu erleben, was dort oben vor acht Jahren über ihn gekommen war - das Ungeheure, für das er keine Worte findet, oder dann nur sehr unzureichende: es ist ihm, als wäre er damals dem Erzengel begegnet; aber auch das ist nur ein Vergleich für Unvergleichbares.

Sa, 10.05.86, 16:30

Lesung
Mit: Urs Frauchiger, Hanspeter Gschwend
Kreuzsaal