Peter K. Wehrli
Geboren 1939. Lebt in Zürich. (2000)
Werke (Auswahl)
Katalog von allem.
Knaus Verlag, 1999
Eigentlich Xurumbambo.
1992
Katalog von allem
Knaus Verlag, 1999
Über vier Jahrzehnte hat der Autor seine Eindrücke von Reisen und alltäglichen Begebenheiten nicht mit der Kamera, sondern mit den Mitteln der Sprache festgehalten. Alles, was ihm auffiel, alles, was er fotografiert hätte, wurde zu einem literarischen Schnappschuss.
Aus: Peter K. Wehrli. Katalog von allem. Knaus Verlag, 1999
1. das Erschrecken
die vielen bereits erlebten Formen von Erschrecken, die ich wie Punkte einer Inventarliste in meinem Erinnerungsvorrat abrufen musste, bis ich guten Gewissens den Satz aufschreiben konnte: Ich habe noch nie einen Mann augenfälliger erschrecken gesehen, als den einsamen Fussgänger in Mindelo, nachts um halb drei, an der Ecke von ‚Avenue der afrikanischen Einheit‘ und ‚Boulevard Che Guevara‘, als ich im Vorbeigehen zu ihm sagte „Gute Nacht!“
2. der Findling
der grob gezimmerte Tisch, der wie ein klobiger Fremdkörper in der Mitte des Zimmers in der hellen, geordneten, hohen Wohnung an der Hildebrandgasse in Wien steht, und den ich wie einen zu untersuchenden Findling abtaste, weil er jener Tisch ist, an dem Peter Rosei sass, als er sagte: Die Beschreibung eines Tisches muss besser sein als der Tisch, sonst ist sie unnötig,
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und dieser derbe Tisch, der mir jetzt deshalb als besonders wichtiges Belegstück erscheint, weil mich noch kein anderer Satz so heftig das Vertrauen gelehrt hat in die verbessernde Kraft, in die Tragkraft der Sprache.
Fr, 02.06.00, 17:00
Eigentlich Xurumbambo
1992
Aus: Peter K. Wehrli. Eigentlich Xurumbambo. 1992
Afrika:
die durch die Trennwand zwischen Abteilen im Zug dringenden Stimmen einer jungen Frau und eines alteren Mannes, die über Afrika reden, und zwar so, als sähe Afrika genau gleich aus wie die Reppischtal-Landschaft, durch die der Zug gerade fährt, was mich deshalb eigenartig berührt, weil ich weiss, dass beide Gesprächspartner afrikanische Landschaft fast jeden Abend in der «Tagesschau» vor Augen haben.
die Schweiz:
mein unverhohlenes Ohrenspitzen als ich die Kubanerin am Nebentisch sagen hörte: «Schweix Leute miserabel», und ich meine Betretenheit, weil ich als Schweizer - den Vorwurf auch auf mich bezog, und das Nachlassen dieser Betretenheit als ich nach langerem Zuhören endlich herausfand, dass die Kubanern ihren Tischgenossen nicht von der Schweiz erzählte, sondern von ihren Erlebnissen als Gastarbeiterin in dem in der DDR gelegenen Städtchen Schweix, und meine fortdauernde Verlegenheit, die zu vertreiben mir doch nicht gelang, weil ich ihre Geschichte immer so härte, als erzähle sie von einer Schweiz, die sich durch nichts als ein «z» von Schweix unterscheidet.