Severin Schwendener
Falsche Freunde
edition 8, 2006
Aus: Severin Schwendener. Falsche Freunde. edition 8, 2006
Es dauerte etwas mehr als einen halben Tag und eine ganze Nacht, bis Roman Trösch dank Wellauers speziellen Befugnissen auf erste Spuren einer internen Ermittlung stiess. Danach dauerte es nur noch Stunden, bis er sich ein mehr oder weniger komplettes Bild zusammengesetzt hatte. Plötzlich verstand er, welche Interessen im Hintergrund standen, und jäh taten sich vor ihm die Zusammenhänge auf, die er so lange übersehen hatte. Moor. Der Brand. Die unaufgeklärten Fälle. Teilchen um Teilchen fügte sich das Bild zusammen, selbst wenn vieles unklar blieb. Doch eines war klar: Ein alles verzehrendes Feuer, das sich am Dreck unter den Teppichen nährte, war ausgebrochen. Die Situation war kurz davor, vollends zu eskalieren, und es bestand kein Zweifel darüber, dass hier nichts mehr aufzuhalten war. Es war ganz eindeutig, irgendjemand hatte ein handfestes Interesse daran, dass sich die Dinge so entwickelten, wie das zur Zeit der Fall war, doch Trösch hatte keine Ahnung, wer das sein könnte. Oder wo das Motiv liegen mochte. Ging es womöglich gar nicht darum, etwas herauszufinden? Was hatte Wellauer gesagt? Nicht all Hunde bräuchten geweckt zu werden. Wusste der Kripochef etwa mehr, als er vorgab? Oder hatte er per Zufall den Nagel auf den Kopf getroffen? Trösch hielt verschiedene Fäden in der Hand, deren lose Enden sich plötzlich zu einem einzigen Strang zu verknüpfen begannen. Und dieser Strang führte ins Innerste, direkt ins Zentrum. Eine Sekunde lang erwog Trösch, sofort zum Telefon zu greifen und eine hastige Warnung auszusprechen, doch dann erkannte er, dass es zu spät war. Es war sogar zu spät, sich selbst zu retten. Entsetzen packte den Kommissar, als ihm eine schreckliche Tatsache bewusst wurde. Er, Roman Trösch, wusste bereits viel zu viel.