Rolf Niederhauser
Ve, 30.05.14, 20:30
Aus: Seltsame Schleife, Roman, unveröffentlicht
Umgekehrt, aber, liest das lesewesen nie was es schreibt. Es schreibt was es liest, zeichen für zeichen, schreibt sich alles ein, automatisch und unbeirrt. Und das ist auch was wir meinen, wenn wir sagen: es realisiert sich. Zeichen für zeichen setzt es sich neu zusammen, schreibt sich selber um.
Ebenso realisiert es seine welt, realisiert es alle zeichen von denen es umgeben ist. Sie sind seine realität, seine wirklichkeit, die bewirkt was es ist, und die es seinerseits bewirkt, d.h. bearbeitet.
Was es beschreibt, aber, kann es nicht lesen. Während schreiben und lesen eins sind, besteht die entscheidende differenz zwischen schreiben und beschreiben. Und indem es sich immer weiter fortschreibt, erzeugt es seine welt aus dem nichts. Es beschreibt sie wie man eine leere wandtafel beschreibt, und wie die dabei entstehende figur den dunklen hintergrund beschreibt vor dem sie sich abzeichnet. Wobei: nur für uns, die wir es lesen, beschreibt es in seiner bewe-gung von zeichen zu zeichen eine solche figur, einen ablauf – wie ein planet seine umlauf bahn beschreibt. Oder wie eine ameise die auf dem weissen papier eine spur beschreibt, einen weg der nirgendwo zuvor existierte, und erst die beschreibung hat ihn hervorgebracht.