Waldgut Verlag & Atelier Bodoni, 2019
Die 42. Solothurner Literaturtage fanden aufgrund der Corona-Pandemie online satt.
In ihren Gedichten geht Ruth Loosli von Alltäglichem aus und deckt das «Unbedachte» auf, das sich hinter jenem verbirgt. Sie wechselt zwischen verschiedenen Stilebenen und findet so einen gewandten sprachlichen Zugang zu gewichtigen philosophischen Themen. Treffende Wendungen und unerwartete Einsichten prägen ihre fast zu Aphorismen verdichteten Aperçus. Indem sie Eindrücke und Gefühle in Worte zu fassen versucht, reflektiert Ruth Loosli zugleich die Möglichkeiten und Grenzen der Sprache.
Da: Ruth Loosli. Hungrige Tastatur. Waldgut Verlag & Atelier Bodoni, 2019
Am Lyrikfestival
Während in Afghanistan eine
Bombe hochgeht
schreiben wir ein Gedicht.
Während dieses Mädchen im
roten T-Shirt zerfetzt wird
schreiben wir ein Gedicht.
Während dein Mann Jakobsmuscheln
ins heiße Öl gleiten lässt
schreibe ich ein Gedicht.
Während der TGV nach Paris fährt
lacht diese Frau bemüht ins
Telefon von Zürich nach Lima
zärtlich verzweifelt über die unüberbrückbare
Distanz.
Und ich versuche weiter zu atmen
Himmel und Erde zu beatmen
Oben und Unten
gleitend im Overall
überall im All.
On ne sait jamais.
On ne sait rien.
