Daniel Zahno

Geboren 1963, lebt in Basel. (2009)
Werke (Auswahl)
Die Geliebte des Gelatiere.
Weissbooks, 2009
Die Geliebte des Gelatiere
Weissbooks, 2009
«Die Geliebte des Gelatiere» ist ein Roman, der einem förmlich auf der Zunge zergeht. Luftig und duftend ist er, und von einer unaufdringlichen Süsse, wie gutes Eis eben sein soll. Alvise heisst der Mann, der in seiner Gelateria an den Zattere von Venedig die zartschmelzenden Köstlichkeiten herstellt. Im Roman begleiten wir ihn von Kindsbeinen an, durch Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens, durch Sommertage am Lido und Krankheit zum Tode – wobei das Schicksal stets mit einem Gelato auftritt.
Aus: Daniel Zahno. Die Geliebte des Gelatiere. Weissbooks, 2009
Das Vanille-Gelato zerging auf meiner Zunge, und aus dem Eis stieg eine Erinnerung auf: Noemi. Ich ass das Eis und spürte ihre Hand auf meiner heissen Stirn. Viele Male hatte ich Vanilleeis gegessen, seit ich sie zum letzten Mal gesehen hatte, und es hatte mir nie etwas gesagt, ich hatte es in Pippos Gelateria tausende Male in Becher und Waffeln gefüllt, hatte es dauernd vor Augen, und es hatte nichts ausgelöst in mir, die Erinnerung war versunken, verlaufen, hatte sich in nichts aufgelöst, jetzt aber, als ich das Vanilleeis auf der Zunge spürte und den Geschmack wiedererkannte, wie ich ihn damals geschmeckt hatte, war es, als ob Noemi mit mir auf der Terrasse wäre, als ob sie mit ihren strahlenden Augen und ihrer ganzen Zerbrechlichkeit da sässe und mich anblickte, und ich sah die weiss-blau gestreiften Leibchen der Gondolieri und die Spiegelungen des Lichts im Wasser, und alles in mir war geweckt und in Bewegung.