Eva Burkard
Frankensteins Mutter
eFeF-Verlag, 1999
Aus: Eva Burkard. Frankensteins Mutter. eFeF-Verlag, 1999
Mary läuft schneller durch die Felder, stemmt sich dem Wind entgegen, der Blütenstaub aufwirbelt. Heute war sie ein Blatt, geschüttelt vom Baum, zersprungen der Stamm, heimatlos und vom Zufall getrieben. Ihr Kleid ist zu eng geworden, sie muss dringend die Nähte erweitern. Schon wieder wächst etwas in ihr und stört sie in ihren eigenen heftigen Bewegungen. Rücksicht nehmen, still sein, abwarten. Sie nimmt eine Abkürzung, quer durch dorniges Gestrüpp, an dem ihr Kleid hängen bleibt. Ungeduldig reisst sie den Stoff los und schlägt die Zweige zurück, die ihr im Weg sind. Bald gelangt sie zu den Klippen. Weit unten ist die Brandung des Meeres zu hören. Mary breitet ihre Arme aus, ein heftiger Wind zerrt an ihrem Körper. Die Natur. Auf sie ist Verlass. Das Meer, die Bäume, das Gras – wenigstens sie bleiben da, wo ihr Platz war.
Zurück ins Haus. Zurück zu den Büchern, zu wem auch sonst. Sie holt Godwins „Political Justice“ hervor, das er 1792 geschrieben hat. Ihr Vater sieht alles Heil in der Anwendung der Vernunft. Als ob es nur eine Sache des Willens sei, dass das Leben gerecht und harmonisch verlaufe. Auch Percy neigt zu dieser Meinung: Sich nur auf das Denken zu konzentrieren, nichts als Vernunft den Geist beeinflussen zu lassen, das ist das Höchste.