Felicitas Hoppe
Picknick der Friseure
Rowohlt Verlag, 1996
Aus: Felicitas Hoppe. Picknick der Friseure. Rowohlt Verlag, 1996
( ... ) Als der Winter kam, wurde uns kalt auf den Köpfen. Wir blickten von der Arbeit auf und sahen sie im Spiegel glänzen wie frische Kanonenkugeln hinter den bleichen Gesichtern der Gäste. Und als uns abends nicht mehr warm wurde zwischen den Decken, erzählten wir einander Geschichten von endlosen Sommern am See, die zu lang waren für unsere Nächte, denn schon im Morgengrauen stand die Kundschaft vor der Tür. Sie schlugen mit Fäusten gegen die zugefrorenen Scheiben, in die sie Löcher bliesen mit ihrem ungeduldigen Atem. Dann drängten sie zur Tür herein und schubsten sich gegenseitig von den Stühlen, als sei nicht Platz genug für alle. Das Wasser dampfte nicht schnell genug in den Kesseln, wir schwitzten und froren zwischen den Becken und brannten Locke um Locke und schwenkten Kämme, Bürsten und Spiegel: da seht ihr, wie schön wir euch hergerichtet haben, denn Weihnachten steht vor der Tür! Nachts fegten wir keuchend die Fliesen und schafften in Eimern die Haare in den Keller, um Perücken zu bauen wie Wintermützen. In unbeobachteten Momenten zogen wir sie uns gegenseitig über die Ohren und lachten haltlos beim Blick in den Spiegel, aber warm wurde uns nicht dabei. ( ... )