Hartmut Lange (DE)
Die Waldsteinsonate
Diogenes Verlag, 1984
Aus: Hartmut Lange. Die Waldsteinsonate. Diogenes Verlag, 1984
Als sie Berlin etwa eine Meile hinter sich gelassen hatten, als die Kiefern immer enger gegen das Gefährt heranzudrängen schienen, als der Nebel, der gegen die Scheiben schlug, sich immer noch nicht lichten wollte, sah er das erste Mal hinaus. Er sah die Böschung und dass der Kutscher die Pferde etwas zu sehr in die Nähe des Grabens führte, aber er hatte kein Gefühl der Unterschiedenheit zwischen dem Gefährt, in dem er sass, und dem Wald, der unbestimmt und halbdunkel hinter dem Graben aufragte. Dies machte ihn unruhig.
Er wunderte sich, dass Madame Vogel so gelöst, so selbstvergessen an seiner Seite sass, indem sie, soweit es ging, gegen die Tür hin von ihm abgerückt war, um nun, solange diese Fahrt auch andauerte, in ein und derselben Haltung bewegungslos zu verweilen.
Vor kurzem noch hatten sie, bevor sie die Kutsche bestiegen, einander versichert, wie hartnäckig ihre Heiterkeit war und dass sie auf dieser Fahrt dafür sorgen müssten, nicht zu sehr in die Nähe des Übermuts zu geraten. Aber nun, da die Himmel verhangene Düsternis ihn bedrängte, da die Welt der Erscheinungen, an der er litt, sich ihm durchaus nicht, wie sonst, bis zur Ermüdung, ja bis zum Überdruss seiner Sinne zeigen wollte, nun sah er keine Grenze mehr, die man hätte überschreiten können.
(Aus: «Im November» in: Die Waldsteinsonate)