Levin Westermann

Levin Westermann, geboren 1980. Studierte an der Hochschule der Künste Bern und lebt als freier Schriftsteller in Biel. 2020 wird er mit dem Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg ausgezeichnet. Für seinen Lyrikband «bezüglich der schatten» erhielt er den Schweizer Literaturpreis 2021. (2022)
Werke (Auswahl)
farbe komma dunkel.
Matthes & Seitz Berlin, 2021
3511 Zwetajewa.
Matthes & Seitz Berlin, 2017
unbekannt verzogen.
2012
farbe komma dunkel
Matthes & Seitz Berlin, 2021
Da sitzt ein Ich im Wintergarten und liest Gedichte, die Zeitung, erinnert sich an New York und Paris, beobachtet die Hühner, die Nachbarn, streichelt die Katze auf dem Schoss, die irgendwann verschwindet. Die Teile dieses Langgedichts sind kunstvoll vernäht mit stetigen, zwanglosen Wiederholungen einzelner Sätze, mit Bildern oder einfachen Reimen. So entsteht ein Gespräch zwischen Texten und Wirklichkeit, Erinnerung und Erleben, das in seiner eigenwilligen Litanei einen ungeheuren Sog entwickelt.
Aus: Levin Westermann. farbe komma dunkel. Matthes & Seitz Berlin, 2021
und dann
geht die sonne wieder unter
und dann
geht die sonne wieder auf
und das huhn schnurrt wie eine katze
denke ich
und das huhn schnurrt
und ich schaue es an
und ich höre die schafe
ich höre die schafe auf der weide
hinter dem gehege des huhns
der hühner plural
und das huhn ist weiss
und die schafe sind weiss
und dann kräht der hahn
und der hahn ist schwarz
ein hahn singular
Sa, 28.05.22, 10:00
3511 Zwetajewa
Matthes & Seitz Berlin, 2017
Levin Westermann hat eine ganz eigene lyrische Stimme, welche ihre karge Welt in Traumsequenzen, Hadesfahrten, Landschaftsschilderungen, Grossstadterkundungen präzise und mit grosser Bannkraft baut. Seine literarischen Bezugspunkte sind in dem nach einem Asteroiden benannten Band «3511 Zwetajewa» Tschechows Sibirienreise, Homers Iliade, Simone Weils «Krieg und Gewalt» sowie die Poesie der weltverlorenen russischen Dichterin Marina Zwetajewa.
Aus: Levin Westermann. 3511 Zwetajewa. Matthes & Seitz Berlin, 2017
und die zeit macht einen sprung. die felder
sind jetzt leer. nackte braune erde auf dem grund.
urzustand, die exerzitien der krähen. und die blicke
schweifen ab, denn da ist nichts, was sie hält
(die welt ist kahl) und das auge braucht zum heil
den horizont. die katze an sich ist ein raubtier,
sagt Tschechow, sie jagt mit den ohren.
(...)