Martina Clavadetscher

Geboren 1979 in Zug. Sie studierte Germanistik, Linguistik und Philosophie. 2013/14 war sie Hausautorin am Luzerner Theater. Sie arbeitet als Autorin, Dramatikerin und Radio-Kolumnistin. Sie lebt in Brunnen. (2021)
Werke (Auswahl)
Vor aller Augen.
Unionsverlag, 2022
Die Erfindung des Ungehorsams.
Unionsverlag, 2021
Knochenlieder.
edition bücherlese, 2017
Sammler. Erzählung.
Wallimann, 2014
Die Erfindung des Ungehorsams
Unionsverlag, 2021
Martina Clavadetscher erzählt anhand von drei miteinander verbundenen Frauenfiguren eine Frankenstein-Geschichte. Im Zentrum steht Ling, die in einer südchinesischen Fabrik Sexpuppen auf Herstellungsfehler kontrolliert und ausbricht, nachdem eine Puppe zum Leben erwacht. Iris in New York sieht sich selbst als Puppe, und die Mathematikerin Ada Lovelace träumt im London des 19. Jahrhunderts von Maschinen-Menschen. Der Roman überzeugt mit komplexen Figuren und aktuellen Fragestellungen.
Die Veranstaltungen der 43. Solothurner Literaturtage fanden aufgrund der Corona-Pandemie hauptsächlich als Video- und Audio-Livestreams sowie Zoom-Veranstaltungen statt.
Aus: Martina Clavadetscher. Die Erfindung des Ungehorsams. Unionsverlag, 2021
Auf ihrer Werkbank liegen bereits drei Exemplare bereit,
drei frisch gegossene Körper,
erst heute früh aus der Form gedrückt.
Die leblosen Leiber stapeln sich
Rumpf über Rumpf,
strecken Arme und Beine von sich.
Ihre Starre ist echt.
Ihre Nacktheit verleiht dem Raum ein seltsames Gewicht.
Das Fleisch dominiert, überall ist glatte Haut, und das Licht von der Fabrikdecke verdoppelt den Effekt, weil es sich abermals spiegelt
in diesem Meer aus weiblichen Wölbungen,
in dieser Masse aus thermoplastischem Elastomer.
Ling umfasst eines der Fussgelenke,
greift der Frau unter den Lendenwirbel
und zieht den ersten Körper näher heran.
Hallo, mein Name ist Ling.
Hab keine Angst.
Ich mache dich makellos.
Fr, 14.05.21, 10:30
Sa, 15.05.21, 20:00
So, 16.05.21, 16:00
Knochenlieder
edition bücherlese, 2017
In lyrischen Kurzzeilen und einer bildhaften Sprache erzählt Martina Clavadetscher von zwei Familien in einer dystopischen Überwachungsgesellschaft. Ein von Märchenmotiven durchsetzter Roman.
Aus: Martina Clavadetscher. Knochenlieder. edition bücherlese, 2017
Sie wird weggehen, eines Tages,
Jakob.
Genau wie die anderen. Und zwar
schon bald.
Fredy geht zu den Sicherheits-
kräften.
Was will sie dann noch hier?
Die Welt kann noch so grausam
sein, Jakob,
die Kinder wollen sie sehen.
Und wenn sie nichts anderes als
deren Untergang sehen
werden:
Sie wollen dabei sein.