Ruth Klüger (DE)
Weiter leben. Eine Jugend
Wallstein Verlag, 1992
Aus: Ruth Klüger. Weiter leben. Eine Jugend. Wallstein Verlag, 1992
Theresienstadt wurde in der Hitlerzeit als Ghetto bezeichnet, heute rechnet man es zu den KZ. Auch ich nannte es «Ghetto» und unterschied es von Auschwitz Dachau und Buchenwald, den KZ, deren Namen ich kannte. Uns hatte man erst aus unseren Wohnungen vertrieben und in Judenhauser gepfercht, nun sollten wir in eine jüdische Siedlung verschickt werden. Daher Ghetto. So die Logik. Doch liegt auf der Hand, warum der Ausdruck unzutreffend ist. Ein Ghetto im normalen Sprachgebrauch ist kein Gefangenenlager von Verschleppten gewesen, sondern ein Stadtteil, in dem Juden wohnten. Theresienstadt hingegen war der Stall, der zum Schlachthof gehörte.
In Auschwitz-Birkenau verstand ich, dass ich im Konzentrationslager war. Das Wort »Vernichtungslager» gab es noch nicht. Mein drittes Lager, dessen Namen sich niemand merken will, hiess Christianstadt war ein Aussenlager von auch das ein KZ, und wurde als Arbeitslager bezeichnet. Die Unlust der meisten Leute, darunter in meinem Fall auch gute Bekannte und meine eigenen Söhne, sich die Namen der kleineren Lager zu merkenn, ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass man die Lager möglichst einheitlich und unter den grossen Schildern der berühmt gewordenen KZ haben möchte. Das ist wenig strapaziös für Geist und Gefühl, als sich mit Differenzierungen auseinanderzusetzen. Ich bestehe auf diesen Unterscheidungen, riskiere bewusst, wenn auch ungern, die Leserin (wer rechnet schon mit männlichen Lesern? Die lesen nur von andern Männern Geschriebenes) durch Belehrugen, die noch dazu teils von Laienpsychologie abhängig sind, zu irritieren...