Werner Söllner (DE)
Der Schlaf des Trommlers
1992
Aus: Werner Söllner. Der Schlaf des Trommlers. 1992
Hinterlassenschaft
Ein paar Hosen und Schuhe
wintertauglich
fürs Hilfswerk. Neben dem Ehebett,
in Reichweite
der Schreibtisch, darauf «die Welt,
das kleine
Durcheinander» aus Büroklammern
und Leserbriefen zum Bürgerkrieg.
In der Schublade ein paar Kilo
verstaubtes Papier, in gewissem Sinne
Gedichte, darunter die Angst,
kleine Madonna
in Leder.
Zwischen Aktendeckeln abgeheftet
der fanatische Glaube an das Wort
Gerechtigkeit, das Vertrauen in das Wort
Harmonie durchs Ordnungsamt.
Gestorben, der Erblasser, zwar nicht
im eigenen Bett, immerhin würdevoll,
aufrecht sitzend,
mit der Hoffnung
auf baldige Verkabelung
und immer
hoffnungsvoll.
Sein Mund, endlich geöffnete Tür,
durch die geht, stillgestanden,
meines Vaters Herz
in meinen Mund.