Sabine Gisin
Teneber Vid
verlag die brotsuppe, 2019
Ein Text wie ein Traum. Oder ist es mehr Märchen? Sage? Spiegelkabinett? «Teneber vid» erzählt die Geschichte eines Mädchens. Aber halt. Schon das Dasein des Mädchens als Kind scheint sich handfester Realitäten zu entziehen: «es hatte schon lange nicht mehr geraucht». In diesem alterslosen Schwebezustand verschlägt es das Mädchen zu Frau Holle in ein geheimnisvolles Schloss, wo es erotische Abenteuer erlebt. Ein dichtes Debüt voller Magie.
Aus: Sabine Gisin. Teneber Vid. verlag die brotsuppe, 2019
Ein Schritt vor den anderen und du glaubst, dir sei das Recht zugefallen, hier nach Belieben zu wandeln. Im Schatten dieser Häuser, die nur Korridor sind, nur dazu da, auf den nächsten Platz zu führen. Einen weiten, auf den ersten Blick leeren Platz. Ein gewaltiger Brunnen markierte den Mittelpunkt; Fleischberge von Männern hielten Schlangen und anderes Getier gepackt, aus deren Mäulern der Saft entwich, ohne Ende, denn das alles war aus Stein: die Muskeln, die Arme, die Haut der Schlangen. Das Mädchen setzte sich auf das den Brunnen umfassende Mäuerchen und drehte ihm den Rücken zu.